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 Schillers Äpfel-(Rolf)-a          „Ich hatte aber nicht lange gesessen, als ich von einem heimlichen Übelbefinden mich überschlichen fühlte, welches sich nach und nach steigerte, so daß ich endlich einer Ohnmacht nahe war. Ich wußte anfänglich nicht, welcher Ursache ich diesen elenden, mir ganz ungewöhnlichen Zustand zuschreiben sollte, bis ich endlich bemerkte, daß aus einer Schieblade neben mir ein sehr fataler Geruch strömte. Als ich sie öffnete, fand ich zu meinem Erstaunen, daß sie voll fauler Äpfel war. Ich trat sogleich an ein Fenster und schöpfte frische Luft, worauf ich mich denn augenblicklich wiederhergestellt fühlte. Indes war seine Frau wieder hereingetreten, die mir sagte, daß die Schieblade immer mit faulen Äpfeln gefüllt sein müsse, indem dieser Geruch Schillern wohl tue und er ohne ihn nicht leben und arbeiten könne.“

 (Goethe über einem Besuch in Schillers Arbeitszimmer, Johann Peter Eckermann: „Gespräche mit Goethe in den letzten Jahren seines Lebens, 1823 – 1832″, 7. Oktober 1827)

FaSchillers Äpfel-(Rolf)-kl01ule Äpfel scheinen Schriftsteller und Schriftstellerinnen heutzutage nicht mehr in ihren Schreibtischschubladen zu bunkern, um sich kraft ihres betörenden Dufts in den ersehnten Schreibrausch zu versetzen. Vielleicht weil die moderne Landwirtschaft Äpfel am Faulen hindert oder Supermärkte schrumpelige Exemplare sofort aussortieren. Oder will es nur keiner zugeben, dass er es insgeheim doch mit Schiller hält?

Auf Anregungen wollen oder können viele Autoren dennoch nicht verzichten. Kaffee und Musik („… irgendetwas zwischen Bach und Miles Davis“, Udo Weinbörner) stehen bisher in der Umfrage an der Spitze der berauschenden Hilfsmittel. Auch am reichhaltigen – und ich wage zu behaupten –, Geist beflügelnden Schokoriegel oder Nussnugatkringel vom Bäcker wird gern geknabbert, Alkohol hingegen kaum erwähnt. Aber es gibt auch Kollegen und Kolleginnen, die zur fast absoluten Askese tendieren. „Ich neige dazu, beim Schreiben Essen und Trinken zu vergessen. Für einen Rauschzustand sorgt im Idealfall das Schreiben selber.“ (Margit Hähner)

Abgesehen von solchen Körper und Seele wohltuenden Aufmunterungen, wie sieht sonst der Alltag eines Schriftstellers aus?

Unspektakulär und völlig „marottenfrei“ (Claudia Schmid) und vor allem sehr, sehr diszipliniert: „Tatsächliche Arbeitszeiten: 9.30 – 12 Uhr, 15 – 19 Uhr, 20/21 – 2 Uhr morgens. Von Ausnahmen abgesehen.“ (Mara Laue). Gern wird auch in der Nacht oder am frühen Morgen gearbeitet, noch bevor der Hahn kräht sozusagen: „Ab 22:00 Uhr am besten, bis ca. 03:00, wenn ich an einem Roman schreibe. Kurzgeschichten, Theaterstücke oder Drehbücher kann ich jederzeit schreiben.“ (Dogan Akhanli)

Also nix mit dolce far niente und nächtelangen Gesprächen in Cafés und Kneipen?
Zumindest dann nicht, wenn der Autor oder die Autorin gerade an einem neuen Buch schreibt, mit Worten ringt, nach Formulierungen sucht und die Figuren ihr Eigenleben entwickeln.  Dann brauchen Schriftsteller eigentlich nur eins: Ruhe, Ruhe und noch mal Ruhe, vor allem „keine Ablenkung“ (Martin Ahrends), und „niemand darf hinter mir stehen und mir über die Schulter sehen.“ (Petra Hauser). Am besten ist daher ein abgeschlossenes Arbeitszimmer: „Meine Höhle – mein Rückzugsraum“ (Stefan Gemmel). Klar, dass es immer auch Ausnahmen gibt, sie bestätigen nur die Regel.

Spannend sind die Antworten auf die Frage, wie die Familien, Freunde, Nachbarn und Bekannte mit den „schreiberischen“ Gepflogenheiten von Autoren zurechtkommen. Hier gehen die Erfahrungen weit auseinander. Während die einen von positiver Resonanz und großer Unterstützung berichten, stoßen andere auf Skepsis, Erstaunen und sogar Unverständnis. Und immer wieder das Gefühl, sich rechtfertigen zu müssen – für die schlichte Tatsache, dass man schreibt! „Dass das Schreiben belächelt und nicht als Beruf angesehen wird, ist leider immer noch normal.“ (Andrea Tillmanns)

Schillers Äpfel-(Rolf)-kl02Und was hat es nun mit der berüchtigten Schreibblockade auf sich oder der immer wieder zitierten Angst vor dem weißen Blatt? Steckt Wahrheit dahinter, oder ist das alles nur Legende?

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