Weinbrenners Karlsruhe

Karlsruher Münzstätte
(Foto: Petra Reategui)

“Wer in Karlsruhe aufgewachsen ist, hat den Namen Weinbrenner mit der Muttermilch aufgesogen.”

So hat es mir einmal eine Frau erzählt, die ich bei einer meiner Recherchen vor Ort kennengelernt habe.

Auch mir war Weinbrenner in meiner Schulzeit allgegenwärtig. Bei meinen häufigen Besuchen in der Stadtbücherei, die damals noch am Marktplatz lag. Beim Anblick der Pyramide, des Rathauses und der Evangelischen Stadtkirche. Und wieder auf dem Nachhauseweg, wenn ich an der Staatlichen Münze in der Stephanienstraße vorbeikam. Ich habe dieses Weinbrenner-Gebäude mit seiner warmen Sandsteinfassade schon als Kind gemocht.

Der Karlsruher Architekt und Stadtplaner Friedrich Weinbrenner (1766 – 1826) und seine Bauten sind nicht das Einzige, das mir von meiner Heimatstadt in bleibender Erinnerung ist. Unvergesslich sind die Spaziergänge zum Schloss, vorbei am großen Teich mit Karpfen „Oskar“, die Fahrradtouren durch den Hardtwald, die imposante Stephanskirche, der Ludwigplatz mit seinem bunten Treiben rund um den Weinbrenner-Brunnen und das ehemalige „Krokodil“ an der Ecke Blumenstraße, in das meine Großmutter, die in eben diesem wundervoll stuckverzierten Haus wohnte, mich manchmal nach der Schule zu Bratwürschtle mit Rotkraut einlud. Und an fast jeder Straßenecke in der Innenstadt war – und ist natürlich noch immer – der Schlossturm zu sehen.

Und dann gab es da noch das Dörfle. Es fing irgendwo hinterm Marktplatz an, aber ein unausgesprochenes Familiengesetz, wahrscheinlich stillschweigend von Generation zu Generation weitergegeben, hielt mich davon ab, jemals dorthin zu gehen. Mein Kinder-Karlsruhe reichte immer nur von der Weststadt bis zur Pyramide. Doch eines Tages war das Dörfle verschwunden, zumindest jenes, das zu betreten in meiner Jugend Mütter ihren Töchtern verboten hatten. Jetzt gibt es ein „bereinigtes“ Dörfle, durch das wohlbehütete junge Mädchen aus gutem Hause bummeln können, ohne dass ihr Ruf in Gefahr gerät. Mit der Flächensanierung in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts verschwanden etliche Straßen, Gassen und dunkle Winkel, eine

breite Verkehrsachse wurde rüde durch das alte Viertel gebrochen, und doch kann der Besucher noch hier und da kleine Häuser, Straßenzeilen, Plätze und Ecken entdecken, die eine Ahnung von früher vermitteln. Von der Zeit der Barbara Hemmerdinger aus meinem Roman, als diese mitnichten immer nur die viel gepriesene gute, alte war.Vielleicht waren diese Veränderungen der Grund, dass ich ein Buch schreiben wollte, das in Karlsruhe spielt und von den Menschen erzählt, die einmal in dieser Stadt gelebt und sie geprägt haben. Allen voran von Weinbrenner, dem leidenschaftlichen Baumeister, der Bewunderung hervorrief, aber auch aneckte. Von Zeitgenossen wie den fast vergessenen Hofmaler Feodor Iwannoff, genannt Kalmück, und Sophie Reinhard, von Tulla, der den Rhein begradigte, und Drais, dem wir den Vorläufer des Fahrrads verdanken. Und eben vom Dörfle und seinen Bewohnern.

Karlsruhe ist ein junge Stadt. 2015 feierte sie ihren 300. Geburtstag. Vieles, insbesondere das Schloss und seine Umgebung, erstrahlt seither in neuem Glanz. Gehen Sie auf Entdeckungstour, es lohnt sich.

..UND WIE WAR DAS NUN MIT DEN HASEKÜCHLE UND DER REHKEULE?

In „Weinbrenners Schatten“ wird viel und gern gegessen, mal raffiniert, mal einfacher. Aber alle Rezepte lassen sich leicht und ohne besonderen Aufwand nachmachen. Kochen Sie, wie Weinbrenners Haushälterin Apolone und Marie, die Köchin vom Goldenen Füllhorn in der Waldhorngasse, gekocht haben! Zum Beispiel:

Schweinebraten mit
»Nägelein und Citronen«

Würzen Sie ein schönes Stück Schweinebraten, zum Beispiel von der Keule oder aus der Schulter (circa 650 Gramm), mit Salz und Pfeffer. Erhitzen Sie in einem Bratentopf ein gutes Stück Butter, braten Sie das Fleisch von allen Seiten kurz an, geben dann klein geschnittene Zitronen (ohne das weiße Fleisch der Schale, gern aber mit etwas abgeriebener Schale) und 4 »Nägelein« (Nelken) hinzu und streuen einen halben Suppenlöffel fein gesiebtes Mehl darüber. Verschließen Sie den Topf mit einem Deckel und lassen Sie das Fleisch bei kleiner Hitze schmoren. Wenn das Fleisch fast gar ist (nach circa 45 Minuten), geben Sie ein Glas Weißwein dazu und lassen alles noch einmal 15–20 Minuten weiterköcheln.

Ist auch am Tag danach noch ein Gedicht.

Am Lidellplatz

Noch mehr historische Rezepte finden Sie im Anhang des Buchs.

GUTEN APPETIT!