Februar 2016. Ein klarer, blauer Himmel. Der Morgen ist frisch, aber es würde warm werden im Laufe des Tages, sehr warm. Wie Feodor und seine Künstlerkollegen vor über 200 Jahren mache ich mich auf den Weg zur Akropolis. Betrachtet man die Zeichnungen des Iren Edward Dodwell, ging Anfang des 19. Jahrhunderts der Pfad hinauf zum Tempelplateau quer über den nackten Felsen. Kein Baum, kein Strauch, die Schatten spendeten.
Das alte Athen
Relieffiguren und Figurengruppen, die Feodor zwischen 1800 und 1803 in Athen gezeichnet hat. Seine Arbeiten – ungefähr 100 Bilder – liegen heute im British Museum, London.
Von oben nach unten: Detail einer Parthenonmetope, Detail einer Parthenonmetop, Figuren am Turm der Winde und Figuren am Lysikratesdenkmal
Das malerische Anafiotika mit seinen weißgetünchten Häuschen und verwinkelten Gässchen am Rande der Athener Altstadt Plaka gab es zu jener Zeit noch nicht.
Die Akropolis. Einerseits eine Großbaustelle, ein Ruinenfeld, nur vereinzelt noch Marmorreliefs, Metopen.
Die meisten Originale befinden sich im British Museum in London – Lord Elgin lässt grüßen! – und im 2009 neu gegründeten Athener Akropolismuseum. Andererseits ein überwältigendes Gefühl, hier oben zu stehen. 2500 Jahre Geschichte und Baugeschichte. Dazu ein erhabener Blick übers Land.
Hier also hat Feodor monatelang gearbeitet, vor den Propyläen, dem Erechtheion, am Niketempel, auf dem Parthenon …
„Da saß er dann in schwindelerregender Höhe vor den Relieffiguren auf den Platten von Fries und Metopenband, die unbekannte Bildhauer vor über zweitausend Jahren aus Marmorblöcken herausgeschlagen hatten, fast alles Szenen aus der griechischen Götterwelt. Sein Malerbrett mit Papierbögen auf den Knien, das Skizzenbuch griffbereit daneben, copirte Feodor die Szenen ohne perspektivische Verzerrungen, wie dies der Fall gewesen wäre, wenn er vom Boden aus hätte zeichnen müssen. Friedlich ist es hier oben.“
Am Abend esse ich an dem kleinen Platz in Plaka, wo einmal das Kapuzinerkloster gestanden hat, in dem Feodor und seine Künstlerkollegen untergekommen sind. Heute verraten nur noch ein paar Mauerreste von dessen früherer Existenz sowie das Lysikratesmonument, dessen Fries Feodor abzeichnete. Eine Katze streicht um meine Beine, maunzt.
Ich bilde mir ein, dass die neun Jahre, die Feodor in Rom verbracht hat, die glücklichsten seines Lebens gewesen sind. Ich kann nur eine Woche dort sein, aber diese Woche ist randvoll mit Eindrücken.
In der Galleria Borghese
Der Taxifahrer, der mich vom Flughafen zum Hotel bringt, hört nicht mehr zu reden auf. Kaum hat er gemerkt, dass ich ein bisschen Italienisch spreche, sprudelt es schon aus ihm heraus: wie schön doch Rom sei, viel schöner als Paris. Was habe Paris denn schon zu bieten? Ein 2000 Jahre altes Colosseum etwa? Oder denken Sie nur an die antiken Tempel, Signora, an die Säulen, das Forum. Paris hat doch nichts Vergleichbares, gut, Notre Dame, die Champs-Élysées, das ist ja alles sehr schön, aber Rom ist schöner … Sehen Sie hier, die Trajanssäule, Piazza di Spagna, Via del Corso. Und gehen Sie hinunter zum Tiber, wandern Sie am Ufer entlang, gehen Sie hinein nach Trastevere … Ich darf das sagen, Signora, verteidigt er sich, ich bin nicht aus Rom, ich komme aus Puglien, aber ich lebe seit 15 Jahren hier. Ich habe viel gesehen, aber keine Stadt ist so schön wie diese.
Friedrich Noack schreibt in seinem Buch „Deutsches Leben in Rom 1700 bis 1900“, dass Feodor zunächst im Palazzo Zuccari in der heutigen Via Sistina 64 gewohnt habe, dann mit Friedrich Weinbrenner zusammen in der Via Babuino und schließlich von 1795 bis 1799 in der Via Margutta.
Eindrücke von der Via Margutta in Rom heute
Alle Fotos: Petra Reategui
In der Galleria Borghese
Er setzt mich vor meinem Hotel ab. Von hier sind es nur ein paar Schritte zur Via Margutta, in der Feodor zeitweilig gewohnt haben soll. Sie verzaubert mich sofort, die schmale Straße im alten historischen Künstlerviertel nahe der Piazza del Popolo. Seit Jahrhunderten scheinen die Häuser unverändert. Da keine Nummer überliefert ist, nehme ich mir die Freiheit, mir eines auszusuchen und entscheide mich für ein hohes, mehrstöckiges Gebäude mit einer zur Straße geschlossenen, schützenden Fassade. Das Eingangsportal steht offen. Neugierig steige ich die steinerne Treppe empor, die zu einem Gewimmel von Wohnungstüren führt, zu einem hochgelegenen Hinterhof, zu Gängen, weiteren Treppen und Treppchen, kleinen Balkonen und terrassenähnlichen Plätzchen. Hier und da ein Brunnen und jede Menge Grün, Veilchen, Farne, Palmgewächse. Ich habe Feodors Bleibe gefunden; auch ich kann mir vorstellen, hier zu wohnen und zu schreiben.
In einer kleinen Taverne trinke ich das erste Glas Wein auf römischem Boden. (Aus meinen Reisenotizen)
Feodor verließ Rom im Dezember 1799, um mit einer Gruppe von Künstlern im Auftrag des britischen Lord Elgin nach Athen zu reisen. Und so fliege ich ein paar Wochen später ebenfalls nach Griechenland.
Feodor ist bestimmt nicht gefragt worden, ob er nach Deutschland wollte. Ein Page wird nicht gefragt, was er möchte; ein Page gehört der Herrschaft. Und so kommt Feodor mit ungefähr acht Jahren über das zaristische St. Petersburg an den Karlsruher Hof.
Das Karlsruher Schloss
Aber Markgraf Carl Friedrich, ein aufgeklärter Fürst, tut etwas sehr Kluges: Er entlässt das Kind aus dem Pagendienst und schickt es im Sommer 1776 an eine für die damalige Zeit außerordentlich fortschrittliche Schule, an das Philanthropin im Schloss Marschlins in Graubünden.
Ich versuche, mich an Feodors Stelle zu versetzen. Was geht wohl in ihm vor, während er gemeinsam mit drei anderen badischen Zöglingen und einem Erzieher in der harten unbequemen Postkutsche sitzt und draußen die Landschaft an ihm vorüberzieht? Ist die Reise für ihn ein Abenteuer, oder hatte er Angst vor dem, was auf ihn zukommt?
Langsam rücken sie näher, die verschneiten Gipfel. Fast bedrohlich wirken sie auf den, der sie zum ersten Mal sieht. Und die Kutsche rollt. Noch malt Feodor nicht. Er wird auch als Erwachsener keine Landschaften malen oder zeichnen.
Er wird Menschen aufs Papier bringen, seinen Freund Weinbrenner, den späteren badischen Oberbaudirektor, auf einer Leiter balancierend, andere beim Malen oder in einer Taverne. Er wird Gesichter festhalten, Trachten. Der Faltenwurf der Kleidung, die Knicke in den Kniebeugen der Hosen sind genauso prächtig gefältelt wie das Bergmassiv, das er von Schloss Marschlins aus von nun an jeden Tag sehen wird.
Auf dem Weg ins Hinterrheintal
Es ist nicht mehr weit bis zum Schloss. Noch schwingen sich keine Elektrokabel von Pfeiler zu Pfeiler durch das Land, noch gibt es keine Windräder. Aber der Fluss, an dem sie jetzt entlangfahren, ist der gleiche, den er in der Nähe von Karlsruhe gesehen haben dürfte: Der Rhein, er kommt von dieser Gegend, wird der Erzieher den jungen Zöglingen erklären. (aus meinen Reisenotizen)
Ich weiß nicht, ob die Postkutsche die kleine Gesellschaft bis zum Schlosseingang gebracht hat. Wahrscheinlich nicht. Ich vermute, dass die Kinder die letzte Strecke, vielleicht ab Landquart, zu Fuß gehen mussten. Mir hat ein alter Mann den Weg gezeigt: Immer dort entlang, bis zum Waldrand, Sie werden es dann schon sehen. Und so ist es, plötzlich liegt Schloss Marschlins vor mir, unverkennbar mit seinen vier Türmen, an jeder Ecke einer. Am nächsten Tag werde ich im Staatsarchiv Graubünden sitzen, in die untergegangene Welt des Philanthropins eintauchen, Feodor beim Lernen und Spielen begleiten und von einem Mord lesen, der den Jungen erschüttert haben dürfte.
Schloss Marschlins nördlich von Chur | Alle Fotos: Petra Reategui
1791 wird Feodor noch einmal in die Schweiz kommen. Vielleicht besucht er alte Freunde und Bekannte, bevor er dann aber neugierig und gespannt sich weiter auf den Weg nach Rom macht.
War es Zufall oder musste es so sein? Ich hatte einige Jahre zuvor die Mongolei bereist, hatte in Gers, in Jurten, übernachtet, den Männern beim Tränken der Schafe an den Brunnen zugeschaut, den Frauen beim Melken ihrer Kamele.
– Gibt es große Unterschiede zwischen den traditionellen Lebensweisen von Mongolen und Kalmücken, fragte ich jetzt, wo ich Feodor nachzuspüren versuchte, eine junge Kalmückin, die ich in Deutschland traf.
– Nein, meinte sie, was du dort gesehen hast, wird dir helfen, das Buch über den Kalmücken Feodor zu schreiben. Und ich erinnere mich …
Geruch wie von wildem Thymian im unendlich weiten Land, am Horizont die dunstige Silhouette der Berge. Manchmal kommen sie näher, manchmal rücken sie vor den Reisenden zurück. Über uns der hohe Himmel von stählernem Blau, nur hin und wieder Wolkenungeheuer, weiße Wolken, graue Wolken, graublaue. Wolken über grünen Kuppen ohne Bäume, über steinigen Hängen ohne Sträucher. Wolken, aus denen der Regen fällt, der Hagel. Dann bricht wieder die Sonne durch. Ein Regenbogen reckt sich hinter der Bergkette empor. Und noch einer, leuchtend spannen sie sich über die eine Hälfte des Himmels, verblassen und erreichen weit weg auf der anderen Seite die Ebene. Hinter den Gers spielen Kinder; die Schafsknöchelchen klickern und klackern, wenn sie aneinanderprallen. (Aus meinem Reisetagebuch)
Die Kalmücken – das einzige buddhistische Volk Europas
Die Kalmücken sind ein westmongolisches Volk, das seit Jahrhunderten westlich der Wolga auf europäischem Boden traditionell als Nomaden lebten und wie andere mongolische Völker tibet-buddhistischen Glaubens sind. Die heutige Kalmückische Republik oder Kalmückien gehört zu Russland, Hauptstadt ist Elista mit rund 105.000 Einwohnern.
Der Große Tempel in ElistaDer alte weisse Mann
So stelle ich mir vor, dass auch Feodor, das kalmückische Nomadenkind zwischen den Gers mit Freunden gespielt hat. Bis das Spiel eines Tages vorbei war, und Feodor auf eine lange Reise mitgenommen wurde. Unfreiwillig.
1945: Vier Monate nach Kriegsende wird das Moseltal von zwei tragischen Todesfällen erschüttert. Eine Frau stürzt mit ihrem Neugeborenen von einem Berghang, kurz darauf stirbt ein Mann im nahen Steinbruch. Hängen die beiden Fälle zusammen?
»Kalt fließt die Mosel« nimmt die Leserinnen und Leser mit auf eine Reise in die unmittelbare deutsche Nachkriegszeit. Das Land ist von den Nationalsozialisten befreit und der lange Vernichtungskrieg endlich zu Ende, doch das Leben an den Ufern der Mosel ist keineswegs einfach. Im Buch begegnen sich unterschiedliche Charaktere, die im durch Kargheit und Mangel geprägten Alltag verzweifelt versuchen, wieder Fuß zu fassen. Da sind die Hebamme Ello, der Hilfsgendarm Buchheim, ein französischer Besatzungsoffizier und nicht zuletzt der zwischen alle Fronten geratene kalmückische Soldat Sanan aus der weiten Steppe westlich der Wolga – vier Menschen, die das Schicksal in dem Winzerstädtchen Alken unvermutet zusammenführt. Werden sie angesichts der historischen Verbrechen bereit sein, Mauern in den Köpfen einzureißen und Brücken zwischen gestern noch verfeindeten Kulturen zu schlagen?
»Was sich die Besatzer nur dabei gedacht hatten, als sie Beamte wie ihn für den Polizeidienst anheuerten? Die Einführung in den Gendarmeriedienst war denkbar oberflächlich gewesen und vor allem paragrafenlastig. Jede Militärregierung hatte ihre eigenen Vorstellungen von Gesetz und Ordnung. Kaum wusste er die amerikanischen Verwaltungsrichtlinien auswendig, waren die Franzosen mit neuen Vorschriften gekommen, und inzwischen wollten auch deutsche Behörden wieder mitreden. Es ging um Straßenverkehrsordnung und Lebensmittelkontrolle, um Ladenschließzeiten und Angelerlaubnis. Von verdächtigem Gesindel und marodierenden Banden, die in Bachtälern herumballerten, war nie die Rede gewesen.«
»Und von Dienstwaffen schon gar nicht«, schimpfte Buchheim und fühlte sich einem dunklen Schicksal ausgeliefert.«
Januar 1772. Halb Karlsruhe verfolgt die Hinrichtung einer Kindsmörderin. Auch Straßenfeger Ignatz ist dabei, dem das Geschehen unter die Haut geht. Kurz darauf wird ein Soldat des badischen Leibgrenadierregiments erschlagen. Für Major von Sandberg ist die Sache klar: Raubmord. Als Täter kommt niemand anderes als der Straßenfeger in Frage. Doch das Verhör endet in einem Fiasko – Ignatz scheint weder hören noch sprechen zu können.
Auch wenn es die Begriffe im 18. Jahrhundert noch nicht gegeben hat – die Themen, die wir heute als Inklusion, Emanzipation und Migration bezeichnen, haben bereits damals die Gemüter bewegt.
»Ein Weib sprang in das Rund. Ihre Beine stampften, der Rock flog, der Oberkörper drehte und wand sich. Kräftig war die Frau und schön. Bei jedem Schritt schwangen die Haare, die Hände liebkosten die Luft. Da spürte er die Hand der Buckligen auf der seinen. Die Alte sah ihn nicht an, aber ihre Finger hämmerten auf seinem Handrücken. Toc‑to-to-tocto-to-toctoctoc, trommelten sie, rhythmisch, aufpeitschend. Die Berührung durchflutete ihn und riss ihn mit wie damals die Schwingungen im Feierlichen Haus, bevor die Mutter ihn geschlagen hatte und er davongelaufen war. Jetzt ließ er sich fallen in die Melodie der Finger, ergab sich dem Rausch des scharfen Wassers in seinem Becher, den Wellen, die seinen Körper erfassten.«
»Sie wollte eine patzige Antwort geben, aber auf Deutsch fehlten ihr die Worte, was sie nur umso wütender machte. Nie würde sie hierhergehören, nie. Immer blieb sie ausgeschlossen. Verstand nichts und wusste sich nicht auszudrücken. Und wer war schuld daran? Die Maïre und die Nonno, alle diese Alten in Palmbach, die sich weigerten, die neue Sprache zu lernen.«
Was für ein Leben! Seiner Muttersprache beraubt, seinen Eltern entrissen, nicht einmal seines richtigen Namens entsann er sich. Der kalmückische Nomadenjunge, der Katharina der Großen in Petersburg als exotischer Page dienen musste, wurde nach Aufenthalten in Rom, Athen und London ein berühmter Künstler. Doch obwohl er zum Hofmaler des badischen Hofs zu Karlsruhe ernannt wurde, blieb er stets auch Außenseiter.
„Petra Reategui schreibt atmosphärisch, mit allen Sinnen. Man riecht, schmeckt, sieht und hört die Geschichte von Feodor.“ Oliver Grimm, SWR 4 vom 17.11.2017
»Es fällt ihm schwer, sich die Tage hinter der Jurte ins Gedächtnis zurückzurufen. Kaum kommt ihm ein Bild vor Augen, zerrinnt es wieder, lösen sich die Gesichter auf, zerfließt die Landschaft, verwischen die Farben, die es bestimmt gegeben hatte, zu einem grauen Gemenge. Aber da ist auch das Summen der Luft, an das er sich erinnert, das Raunen der Grasbüschel, durch die der Wind fährt, die Arme, die das Kind wiegen und zwischen den Zelten umhertragen. Und vor allem ist da der Geruch von gekochtem Fleisch. Hammelfleisch. Oder von einem jungen Schaf.«
»Es ist immer dasselbe mit Ihnen, Feodor. … Sie sind einer der besten Zeichner unserer Zeit. Sie erfassen Raffael so gut, dass der Geist dieses göttlichen Italieners in den Copien lebt, die Sie von seinen Werken machen. … keiner beherrscht Stift und Kreide besser. Und doch trauen Sie sich immer viel zu wenig zu. Wollen Sie mir mal bitte erklären, warum?«
Ein Buch von Fremdheit und Nähe, Angst und Aufklärung, Grenzen und Offenheit. Eine unglaubliche und doch wahre Geschichte.
Der „Kalmück“ geisterte durch meine Kindheit in Karlsruhe. Betonung, bitte schön, auf der ersten Silbe: Kálmück, gut badisch eben. Aber ich hätte damals nicht sagen können, wer der Kalmück war. Erst viele Jahre später, während meiner Recherchen für den historischen Kriminalroman „Weinbrenners Schatten“, bin ich ihm wieder begegnet, diesem badischen Hofmaler, Figuren- und Portraitzeichner kalmückischer Herkunft.
Seither hat mich Feodor nicht mehr losgelassen; ich bin ihm gefolgt von seinen ersten Lebensjahren in der großen Steppe westlich der Wolga, nördlich des Kaspischen Meers bis zu seinen letzten Tagen in Karlsruhe. Von Ort zu Ort …, folgen Sie mir:
Karlsruhe 1817. Oberbaudirektor Friedrich Weinbrenner ist auf der Höhe seines beruflichen Erfolgs: Die junge barocke Residenz entwickelt sich zu einer Hauptstadt des Klassizismus. Doch als ein Bäcker aus dem „Dörfle“, dessen Tochter im Hause Weinbrenner in Stellung ist, tot aufgefunden und kurz darauf ein Gastwirt ermordet wird, mit dem Weinbrenner Streit hatte, muss der bekannte Architekt um seinen Ruf fürchten.
»Der Tag war eisig. In abgelegenen Winkeln und entlang der Häuser klebten schmutzige Schneehaufen. Über den Dächern des Markgräflich-Hochbergschen Palais am Rondell stand grau die Märzsonne und hüllte die Schlossstraße in fahles Licht. Auf den schwarzen Wassern des Landgrabens am Rande des Markts trieben Zweige und geborstene Latten, Reste eines Sacks, Papierfetzen, der aufgeblähte Körper einer toten Katze. Ein roter Stoffball wogte auf und ab, bevor er kreiselnd unter der steinernen Straßendecke verschwand, die den Kanal die ganze Breite des Platzes überspannte.«
»Die Krempe des Huts hing dem Fremden tief ins Gesicht, der Architekt ahnte es mehr, als dass er es erkennen konnte. Schmal war es, die Augen dunkle Löcher, lauernd. Um den Hals trug der Mann einen Schal, der auch das Kinn verdeckte und gerade noch den Mund frei ließ, einen dünnen Mund mit blau gefrorenen Lippen. Die Hände hielt er in seinem weiten Rock vergraben.«
»Ich habe es schon Ihrem Schüler gesagt, Sie werden noch von mir hören, Weinbrenner.« … Und dann war der dunkle Gesell verschwunden, als hätte sich die Erde geöffnet.«
Ein Roman über Karlsruhe und den großen Architekten der Fächerstadt. Eine Geschichte um Erfolge, Missgunst und Versagungsängste, um Liebe, Hoffnung und den Wunsch der kleinen Leute nach einem besseren Leben.
»In der Langen Straße sind die Haseküchle besser, in der Waldhorngasse die Rehkeule mit den gedämpften Äpfeln.«
“Wer in Karlsruhe aufgewachsen ist, hat den Namen Weinbrenner mit der Muttermilch aufgesogen.”
Haben Sie Appetit bekommen? Auf das Buch? Auf Haseküchle und Rehkeule? Auf Karlsruhe?